Diagonal durch die Mitte – Von Kentucky bis zur kanadischen Grenze

Diagonal durch die Mitte – Von Kentucky bis zur kanadischen Grenze

Nach fünf schönen, aber auch anstrengenden Wochen auf Heimurlaub (nach zwei Jahren konnte ich endlich am Kongress und der Preisverleihung des European Museum of the Year Award EMYA teilnehmen, die dieses Jahr in Tartu, Estland, stattfanden), geht es am 13. Mai wieder nach Nashville.

Obwohl es ein Freitag, der 13. ist (da gab es günstige Angebote… 😉 ), verläuft beim Flug nach Chicago alles wie geplant. Auch die immigration im riesigen HUB Chicago O’Hare verläuft problemlos und viel schneller und angenehmer als das letzte Mal in Dallas/Ft. Worth.
Zudem hätten wir so richtig viel Geld «verdienen» können, da der Flug nach Nashville überbucht war. Die Angebote gingen immer höher und am Schluss hätten wir 1’500.- Dollar (in Reiseguthaben) erhalten können, wenn wir uns entschlossen hätten, eine Nacht im von United Airlines bezahlten Hotel zu bleiben und erst am nächsten Morgen weiterzufliegen. Wir überlegen es uns kurz, sind aber – trotz Upgrade auf Economy Plus mit sehr angenehmen Sitzen – so müde, dass wir nur noch ankommen möchten. Und nicht  zuletzt hätte es ja auch das Programm von Vicki durcheinandergebracht, die so lieb ist, uns am Flughafen in Nashville abzuholen.

Auf dem Weg zu ihrem Haus organisieren wir bei Zaxby’s noch etwas zum Znacht und dann fallen wir erschöpft und sehr erleichtert in unsere Betten: wir sind wieder da!

Am nächsten Morgen holen wir unser Auto, das brav auf uns gewartet hat, und beginnen, die Koffer auszupacken und alles einzuräumen.
Dabei erlebe ich eine Enttäuschung, denn der Zoll hat die beiden Knorr-Bratensaucen in der Tube beschlagnahmt und durch einen Zettel mit entsprechender Mitteilung ersetzt… Immerhin haben wir keine Busse bekommen, aber ärgerlich ist es doch. (Übrigens blieben die gleiche Sauce in Pulverform unangetastet, ebenso wie die Anchovis-Paste).

Die nächsten Tage dürfen wir wieder bei Vicki und Steve verbringen, wo wir uns auf unsere grosse Reise Richtung Alaska vorbereiten (u.a. wird der Luftkompressor ersetzt, der nach etlichen Arbeitsstunden nicht mehr so richtig schöpft und das Reifen-Aufpumpen zu einer langwierigen Angelegenheit machte).
Trotz seines anstrengenden Arbeitsplans hilft Steve Ozy die Klimaanlage vom Auto frisch zu befüllen, da sie nicht mehr anständig gekühlt hat und Ozys Versuche mit den handelsüblichen Büchsen in Ermangelung der richtigen Messapparatur mehr geschadet als genützt haben.

Mittlerweile ist es auch hier Frühling geworden und alles grünt und blüht. Bei einem Amish Strassenhändler, der statt eines Lieferwagens seine Kutsche dabei hat, kaufen wir eine Gallone Erdbeeren (kleiner gibt’s nicht…), die wir die nächsten Tage in allen möglichen Varianten essen. Vicki verwöhnt uns wieder nach Strich und Faden und ich geniesse es, einen Backofen zu haben… Am zweitletzten Abend führen uns die beiden ins mexikanische Restaurant «El Potrero», wo sich Steve und Ozy je eine XL-Margarita bestellen. Vicki bezeichnet sie als birdbath-Margarita und trifft damit den Nagel auf den Kopf: in dem riesigen Kelch hat doch tatsächlich ein Liter Platz (und am Tequila wird nicht gespart…)! Es wird ein sehr fröhlicher und denkwürdiger Abend!

Leider war es wohl für einige Zeit das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben, denn wir werden vermutlich nicht so bald wieder nach Kentucky kommen. Wir danken Euch erneut für Eure grosse Freundschaft, Eure Gastfreundschaft und Unterstützung und die schöne Zeit. Wir hoffen, dass wir uns dann doch irgendwann wieder einmal sehen!

 

Am 18. Mai geht es wieder los! Ziel: Alaska!

Obwohl wir jetzt zwei Jahre gewartet haben, wollen wir auf dem Weg doch noch das eine oder andere angucken und geniessen erst einmal das viele Grün auf dem Weg Richtung Mississippi River.

Den ersten, eigentlich nicht so geplanten, längeren Stopp legen wir in Metropolis, IL ein. Nicht wegen Superman, sondern weil beim letzten Wasser-Auffüllen unser Schlauch kaputt gegangen ist. Da es sich um ein spezielleres Teil handelt (sehr leicht, flexibel und vor allem auch platzsparend), musste Ozy einen neuen bestellen.  Wir quartieren uns einige Tage im schönen Fort Massac State Park ein, bis der bestellte Schlauch beim Tractor Supply Store im benachbarten Paducah, KY ankommt. Es ist über 30 Grad warm und schwül und wir haben fast jeden Tag (oder Nacht) einen oder mehrere heftige Gewitter und auch Tornado Watches, was dazu führt, dass wir auf unserer Site geradezu auf einer Insel stehen und sich die Situation an der Moskito-Front auch nicht gerade verbessert…
Zwischendurch überhitzt das Batterieladegerät, wofür wir eine neue Sicherung im zum Glück fussläufig erreichbaren O’Reilly’s bekommen, und irgendjemand klaut uns den Rest des vor Ort gekauften Feuerholzes. Wenn diese Reise schon so anfängt…

Immerhin können wir schöne Ausflüge in die Umgebung machen, u.a. zu den hübschen Garden of the Gods Recreation Area, zum Rim Rock National Recreation Trail sowie zur Cave-in-Rock (inkl. «Klappfähre» über den Missouri) und unseren 10. Hochzeitstag im eher hippen Restaurant «The Freighthouse» in Paducah vorfeiern. Paducah, KY beeindruckt uns wegen der schönen murals (Wandbilder), die auf die Innenseite der gewaltigen Flutmauer gemalt sind, die die Stadt vor dem Missouri schützen. Der Fluss ist zwar riesig, aber wir können uns kaum vorstellen, wie er aus seinem weit unten liegenden Flussbett so weit aufsteigen kann, dass die Stadt bedrohen ist. Aber er entwässert ja auch den ganzen Nordosten und so kommt es im Frühling manchmal zu gewaltigem Hochwasser, wie die verschiedenen Flutmarken an den Toren belegen.

 

Am 23. Mai geht es endlich wieder weiter! Zwei Nächte bleiben wir wieder im Fort Defiance Park am Zusammenfluss von Missouri und Mississippi. Wir haben über Facebook mitbekommen, dass unsere Freunde Kathleen und Kurt auf dem Heimweg von Florida nach Minnesota sind und ganz in der Nähe vorbeikommen. Sie haben am 25. eine Nacht beim Harvest Host Skyway Ranch bei Elsberry, MO gebucht und wir werden sie dort treffen. (Harvest Host ist eine Vereinigung, wo man gegen eine Jahresgebühr bei den Teilnehmenden Betrieben – oft Brauereien, Weingüter o.ä. – «gratis» eine Nacht stehen bleiben darf. Im Gegenzug wird erwartet, dass man dann dort für etwa 20.- einkauft oder konsumiert. Wir waren ein Jahr lang Mitglied, haben es aber nie ausnützen können, weil es nie gepasst hat und wir ja auch nicht so viel Bier, Wein oder andere Produkte unterbringen können…).
Wir umfahren St. Louis dieses Mal (irgendwann kommen wir sicher wieder – ich habe ja noch das Projekt «Lewis & Clark-Trail»…). Es gewittert und regnet in Strömen, was beim dichten Verkehr nicht so wirklich lustig ist. Wir sind froh, als wir auf Nebenstrassen abbiegen können und bald erreichen wir die schön gelegene Skyway Ranch, wo wir Kathleen und Kurt mit ihrem Van Juny treffen. Die Besitzer des Anwesens, Gretchen und Kurt, haben hier ein Eventzentrum eingerichtet und wir können uns zum Schwatzen in die grosse Halle setzen. Ein weiteres Standbein der beiden ist die Zucht von Pudeln und Rehpinschern und wir verbringen einen sehr schönen Abend zusammen in grösserer Gesellschaft. Ich erstehe von Gretchen noch einen wunderbaren, selbstgemachten Ziegen-Feta mit Kräutern (Ziegen haben sie unter anderem auch noch) und nach Verabschiedung von Kathleen und Kurt trennen sich unsere Wege schon wieder.

 

Von Hannibal, wo wir jetzt schon zum dritten Mal vorbeikommen, geht es fast geradeaus nach Westen, diesmal ohne Ausflug nach Marceline, da unsere Freunde Deb und Bud nicht zuhause sind. In St. Joseph biegen wir auf die Interstate 29 ab, die uns nach Nordwesten führt. Am Abend übernachten wir am wunderschönen kleinen Charity Lake in der Brickyard Hill Conservation Area, MO. Ich lasse mich so von der frühlingshaften Natur und der schönen Abendstimmung hinreissen, dass ich ungeschützt durch Insektenspray den hübschen, mit langem Gras bewachsenen Trail um den Teich gehe. Ich freue mich, dass die Moskitos mich gar nicht so schlimm attackieren, doch ist die Freude von kurzer Dauer, als ich zuhause entdecke, dass sich im Gras Zecken versteckt hatten, die sich über den saftigen Touri-Snack gefreut haben… Zahlreiche grössere Expemplare krabbeln fröhlich auf meinen Kleidern herum und wir finden die nächsten Tage weitere im (und am!) Auto. Allerdings waren das wohl die gemütlichen Erwachsenen, denn die winzigen, kaum zu sehenden Nymphen sind schneller: Ozy entdeckt noch ein paar winzige Pünktchen auf mir, die kaum zu entfernen sind… Ich HASSE Zecken!!!

 

Am nächsten Tag verlassen wir diesen so schönen, aber leider doch nicht so gastlichen Ort und fahren wieder auf die nahe Interstate. Die Fahrt geht flott voran und bald sind wir in Iowa. Plötzlich wird Ozy unruhig. Er blickt in den Rückspiegel, bremst blitzartig ab und fährt auf den Pannenstreifen: Der hintere Reifen auf der Beifahrerseite qualmt heftig!

Als sich der Rauch verzogen hat, sehen wir das Malheur: Ein blowout! Der Reifen ist komplett platt und nur Ozys schnelle Reaktion hat verhindert, dass der Felgen beschädigt wurde!
Eine erste Untersuchung des kaputten Pneus liefert keinen Hinweis auf die Ursache. Oh well, er ist ja eh nicht mehr zu retten. Die ganze Reparatur – Ersatzrad runterkurbeln, gegen das kaputte Rad austauschen, kaputtes Rad hochkurbeln und Ersatzpneu aufpumpen – erledigt Ozy souverän in 40 Minuten. Die I-29 ist nicht übermässig befahren und alle PKWs und LKWs weichen diszipliniert auf die Überholspur aus, so dass das Arbeiten stark erleichtert wird.
Der nächste Schritt ist das Recherchieren. Wo finden wir schnell Ersatz für unsere grossen, pistentauglichen Reifen? Wir entscheiden uns aufgrund des vielversprechenden Namens für Tommy’s Tires & Custom Wheels (West) in Omaha, NB und werden nicht enttäuscht: sie haben zwar nicht unsere Wunschreifen, können aber noch heute Abend einen brauchbaren Ersatz organisieren und die vier neuen Pneus morgen früh gleich installieren! Glück gehabt!

Auf den Schreck (und da wir ja sowieso bis morgen warten müssen), fahren wir zur offenbar sehr beliebten Two Rivers State Recreation Area. Wir möchten gern auf dem dortigen Campground übernachten, doch ist schon alles mehr oder weniger ausgebucht (offenbar wissen sie nicht von allen Campern, ob sie noch eine Nacht bleiben oder nicht). Wir lassen uns auf die Warteliste setzen und machen erst mal im Schatten Pause (es ist um die  30 Grad), bevor wir um drei Uhr wieder ins Office gehen. Die ersten auf der Warteliste sind nicht da und wir können gerade noch einen Platz ergattern. Juhu! Wenigstens etwas, das funktioniert!
Nach einem schönen Abendspaziergang inkl. Dusche auf dem Weg (ausgerechnet im primitive loop ohne Strom und Wasser-Anschluss, wo die ganzen Zelter übernachten, gibt es nur ein Plumpsklo), geht es uns  noch besser!

Am nächsten Morgen tauchen wir frohgemut bei Tommy’s auf, wo alles wunderbar klappt und wir uns angeregt mit Joe und Devon unterhalten, die unseren Camper und unsere Reise total cool finden.
1’900.- USD ärmer, dafür mit neuen, guten Reifen ausgerüstet, geht es Mitte Morgen wieder auf die Strasse. (Den Grund für den blowout haben wir übrigens nicht gefunden).

 

Die US-275 folgt dem Verlauf des Elkhorn River nach Nordwesten und führt uns durch die grosse Weite Nebraskas. Es wird heiss und immer heisser.

Trotz Temperaturen von bis zu 34 °C machen wir auf meinen dringlichen Wunsch einen Ausflug zu den Ashfall Fossil Beds, einem absolut faszinierenden Fossilien-Fundort mit traumhafter Erhaltung. Er ist aus zwei Gründen speziell: einerseits sind die Knochen nicht versteinert, sondern in Vulkanasche eingebettet (wodurch die Ausgrabungen zu einer enorm staubigen, archäologischen Aufgabe werden), andererseits handelt es sich um eine aussergewöhnliche Momentaufnahme: Vor rund 11.8 Millionen Jahren, im Miozän, war über dem rund 1’700 km / 1’100 mi entfernten Yellowstone Hotspot ein Supervulkan ausgebrochen (Bruneau-Jarbridge Caldera im heutigen Südwest-Idaho), deren mikroglashaltige Asche sich nach Osten über ein riesiges Gebiet verteilte. Die meisten Tiere überlebten zwar den Ascheregen selbst, starben aber am eingeatmeten Mikroglas in ihren Lungen. Zuerst die kleineren Spezies wie Vögel, dann die kleineren Grasfresser (Equiden und Cameliden), nach etwa sechs Wochen die letzten Nashörner (Teleoceras). An dieser Stelle befand sich ein Wasserloch, wo sich die sterbenden Tiere sammelten und schliesslich von der verwehten Asche eingebettet wurden. Die Skelette haben sich fast ungestört erhalten, teils noch mit ihren Spuren im Schlamm, der letzten Mahlzeit im Maul und ihren Babies bei sich. Aufgrund der Alters- und Geschlechtsverteilung lassen sich sogar Aussagen über die Sozialstruktur verschiedener Spezies machen. Es ist gleichzeitig traurig und total faszinierend!

 

Inzwischen sind wir von der Hitze und den vielen interessanten Informationen recht erschöpft. Es ist auch schon nach vier Uhr und wir wollen uns nur noch irgendwo hinstellen und Feierabend machen. Zum Glück liegt die Grove Lake State WMA ganz in der Nähe.

Aber als wir hinkommen, sind alle möglichen Stellplätze einfach nur voll! Am Montag ist Memorial Day und traditionellerweise gehen an diesem Wochenende alle, aber auch gar alle raus ins Grüne zum Campen! Mist!
Ozy ist stur und findet schliesslich doch noch einen Ausstellplatz, wo wir uns zu einem netten Paar mit Wohnanhänger gesellen, die nichts gegen unsere Gesellschaft haben. Er liegt zwar voll in der Sonne, aber hat – wie wir beim Gang aufs Plumpsklo feststellen – dafür auch viel weniger Moskitos als die schönen Schattenplätze… Ausserdem können wir die Aussicht auf den Grove Lake und die Gänse geniessen, die mit ihren Küken Linienformation üben.
In der Nacht geht ein sehr heftiges Gewitter mit sintflutartigen Regenfällen nieder. Zum Glück hagelt es nicht und auch der Sturzbach, der die Strasse herunterkommt, verfehlt uns knapp.

Am Montag fahren wir inmitten beeindruckender Gewitter- und Wolkenstimmungen. Das Land ist immer noch enorm weit; die grossen, rollenden Ebenen werden nur hie und da von einem Flusstal unterbrochen. Wir halten am Left Tailrace Campground, der auf einer Halbinsel im Missouri, direkt am Fuss des Big Bend Dam in South Dakota liegt. Die freundliche Dame im Office gibt uns einen schönen Platz fast direkt an der Spitze der Halbinsel und wir beschliessen, aufgrund der Wettervorhersage nochmals einen Tag Pause einzulegen.

 

Am 1. Juni geht es auf der I-90 durch South Dakota nach Westen, Richtung Badlands. Südlich von Pierre kreuzen wir unsere Spur vom letzten Jahr (Lake Itasca nach Las Vegas). Wir sind gut eineinhalb Monate früher dran und im Gegensatz zu letztem Sommer ist alles leuchtend grün und mit blühenden Blumen durchsetzt.  Die Gegend ist äusserst spärlich besiedelt, aber gewisse (Touri-)Hotspots werden durch Schilder teils schon mehr als 100 km vorher angekündigt.

Ozy hat einen «tollen iOverlander-Platz abseits der Strasse» gefunden, den wir uns ansehen wollen. Wir fahren also von der Interstate und im Zickzack über Landwirtschaftsstrassen, vorbei an verdutzten Farmern, die immerhin freundlich winken. Am Schluss landen wir auf einem kaum sichtbaren Feldweg, der sich am Rande vom BLM-Land den Zäunen entlang schlängelt. Von den anfänglich noch sichtbaren Badland-Formationen ist auch nichts mehr übriggeblieben, weshalb wir beschliessen, umzukehren. Vermutlich waren die Koordinaten des Eintrags falsch… Eigentlich ist es sowieso noch zu früh, um schon Pause zu machen, weshalb wir beschliessen, heute schon in den Badlands NP zu fahren. Also alles wieder zurück!


Am Eingang zum Badlands National Park hat es zwar eine kleinere Schlange, aber insgesamt sind die Menschenmassen durchaus noch überschaubar (es ist ja auch ein bisschen abgelegen…). Obwohl es recht heiss ist, laufe ich ein gleich drei Trails in die Formationen hinein. Vom gut ausgebauten Door Trail, der an einer Aussichtsplattform endet, kann man noch weiter in die Formationen hineingehen. Dieser Teil ist mit nummerierten Pfosten gekennzeichnet und das ist auch gut so, denn sonst würde man sich unweigerlich verlaufen. Fussspuren zeichnen sich auf dem festgebackenen Silt nicht ab und das Auge kann sich an den vielen, irgendwie immer ähnlich aussehenden Erosionsformen nicht festhalten. Vom Ende des Notch Trail aus wird man mit einem tollen Blick auf das grüne White River Valley belohnt. Die Aussicht verdient man sich allerdings mit einer hölzernen «Mega-Strickleiter» und einem sehr schmalen, direkt am «Abgrund» entlangführenden Pfad…
Den Besuch im Visitor Center schenken wir uns vorerst, da der Parkplatz komplett überfüllt ist. Stattdessen versuchen wir unser Glück im nahegelegenen Campground, wo wir tatsächlich noch einen Platz bekommen. Wir können von hier aus die verschiedenen Farben bewundern, die das Abendlicht auf die nahegelegenen Formationen zaubert, und zu Fuss einen interessanten Rangertalk besuchen, der durch Teleskopbeobachtungen des Fast-Vollmondes abgerundet wird.

Nach einer Dusche, die wir uns hier auch verdienen müssen (es ist nur eine, weit entfernte Münzdusche offen), bringt mich Ozy zum Anfang des Saddle Pass Trail. Es geht steil über den Badlands Wall hinauf (teils ohne genügende Wegmarkierung…) und ich bin sehr froh, dass ich diesen rutschigen, krümeligen Pfad nicht wieder hinunter muss, sondern über die mit Blumen und fiesen kleinen Prickly Pear Cacti gespickte Prärie zur Hauptstrasse zurückwandern kann, wo mich Ozy aufpickt. Der kleine, aber feine Fossil Exhibit Trail muss natürlich auch noch sein und wir können gleich zwei Paläontologen zugucken, die hier im Sommer als Volunteers arbeiten. Während die meisten Touristen den Park nach Rund 30 km Richtung I-90 wieder verlassen, fahren wir via Sage Creek Rim Road und die BIA-Roads 27 und 2 sowie die Red Shirt Table Road durch Teile des Parks und die Pine Ridge Reservation weiter Richtung Black Hills. Dabei sehen wir zahlreiche Prairie Dog Towns sowie die ersten Bisons seit langer Zeit (wilde und gezüchtete).

 

Die nächsten fünf Tage verbringen wir in und um die Black Hills. Eine Nacht auf dem Horse Thief Campground (Forest Service), die übrigen Nächte frei auf einer Waldlichtung. Gleich am Anfang statten wir dem Mt. Rushmore National Memorial einen Besuch ab. Die Strasse svon Keystone her ist so gelegt, dass man in einer Kurve direkt auf den Berg zufährt. Ganz kurz sind wir irritiert, da wir uns die Köpfe irgendwie grösser vorgestellt hatten – bis wir in die Nähe kommen und realisieren, wie riesig der Berg ist…
Der Eintritt zum Mt. Rushmore ist frei, doch kostet das Parken 10 $ (das Ticket ist ein Jahr gültig!). Die ganze Anlage ist überaus bemerkenswert. Von der Flaggenallee bis zur Besucherterrasse. Darunter befindet sich ein Museum mit interessanter Dokumentation: von der Entstehungsgeschichte und der technischen Durchführung (entstanden zwischen 1927 und 1941), über den Bildhauer Gutzon Borglum bis zur never ending story der Konservierung. Wir lassen es uns nicht nehmen, den Presidential Trail zu laufen, der uns bis an den Fuss der Geröllhalde führt, von wo aus man den Herren sozusagen in die Nasenlöcher gucken kann und erst richtig erlebt, wie riesig die Köpfe sind (jeder ist über 18 m hoch, die Augen jeweils 3.3 m breit). Die Präsidenten wurden vom Bildhauer aufgrund ihrer grossen Verdienste für die USA ausgewählt: Washington für den Kampf um die Unabhängigkeit und die Geburt der USA, Jefferson für die Unabhängigkeitserklärung und die Louisiana Purchase, Roosevelt für die Rolle, die er für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung gespielt hat (Panamakanal, trust buster) sowie für seine Bemühungen um den Erhalt von Natur und Geschichte (Verdoppelung der Nationalparks, Antiquities Act) und Lincoln für die Beendigung des Bürgerkrieges, die Wiederherstellung der Union sowie den Kampf gegen die Sklaverei.
Am Abend gucken wir natürlich den berühmten Film «North by Northwest» von Alfred Hitchcock, dessen Schlussszene auf dem Memorial spielt.

Als «Gegenprojekt» zum Mt. Rushmore Memorial wurde 1939 das Crazy Horse Memorial geplant (Baubeginn 1948), das um ein vielfaches grösser werden und nicht nur einen Kopf, sondern gleich die ganze Büste des auf einem Pferd sitzenden und mit ausgestrecktem Arm nach Osten weisenden Oglala-Häuptlings darstellen soll. Angebote für eine staatliche (Mit-)Finanzierung wurden stets abgelehnt und die Arbeit geht wohl nur sehr langsam voran (bisher wurde nur das Gesicht fertiggestellt). Allerdings entstand um das Denkmal ein grosses indianisches Kulturzentrum mit Vorführungen und Workshops, Museum sowie Universität. Wir haben den postitiven Eindruck, dass die Bewahrung der lebenden Traditionen den Indianern wichtiger ist als ein gigantisches, statisches Monument (das offenbar sowieso nicht ganz unumstritten ist).
Wir besuchen eine interessante Tanzvorführung, bei der ein kleines Mädchen einen Hoop Dance und seine ältere Schwester den Jingle Dance (Glöckchen-Heiltanz) darbieten, während ihre Mutter die Hintergründe erklärt.
Das Museum hat zwar exquisite Ausstellungsgegenstände, trotzdem fehlt meiner Meinung nach der Rote Faden komplett. Es ist mehr eine Sammlung diverser Sammlungen, ein kunstgeschichtliches Sammelsurium verschiedenster Objekte, Kulturen und Zeiten, wo (zumindest der nicht-indianische) Besucher nur wenig Informationen zu den Zusammenhängen, Entwicklungen oder Hintergründen erhält. Von einem «Indian Museum of North America» hätte ich aber genau das erwartet! Schade!

Im Custer State Park am Fuss der Black Hills kann man einen Scenic Loop fahren, auf dem man abwechslungsreiche Landschaft und viele Tiere zu sehen bekommt, ebenso wie im oberirdischen Teil des Wind Cave National Park: Büffel, Wapiti, Pronghorns, Koyoten und Präriehunde schätzen die zwischen offenem Grasland, weiten Waldlichtungen und Ponderosa Pine-Wäldern wechselnde Umgebung.
Den unterirdischen – und namengebenden Teil – des Wind Cave Nationalparks gucken wir natürlich auch an. Der Name kommt von den Luftströmungen am Eingang, die durch den Temperaturausgleich zwischen Höhle und Oberfläche entstehen. Die Höhle spielt denn auch eine wichtige Rolle in der Schöpfungsgeschichte der Lakota.
Man darf nur mit Führung ins – angeblich – komplexeste Maze Cave System. Mit der ausgewählten Fairgrounds Tour werden wir per Lift in die Tiefe und wieder hinauf befördert und bekommen dazwischen einen Teil von zwei der drei Levels zu sehen. Die Wind Cave erinnert uns von den Passagen und Gängen her an die Kalksteinhöhlen Missouris (Mark Twain) und Kentuckys (Mammoth Cave). Speziell für diese Höhle ist das sogenannte boxwork (hier gibt es so viel oder mehr als in allen anderen Höhlen der Welt zusammengenommen): dünne Kalzit-Finnen, die in ehemaligen Spalten entstanden und durch die Erosion freigelegt worden sind. Mit ihrer polygonalen Anordnung und teils noch geschlossenen Zellen erinnern die Formationen tatsächlich an eine Aneinanderreihung von verschieden grossen Schachteln bzw. an die Füllung von Wellkarton. Mega cool! Daneben gibt es noch Cave Popcorn, Kalzit-Kristalle und ein bisschen Frostwork zu bestaunen.

Im Süden der Black Hills lieg Hot Springs, wo wir uns im Evans Plunge prächtig erholen können. Hier wurden bereits 1890 13 Quellen in einem rund 61 x 15 m grossen Zementpool mit Kiesboden gefasst und man kann wunderbar im 31 Grad warmen Wasser schwimmen und in separaten Hot Pots, Dampfbad und Sauna entspannen. Das macht natürlich hungrig und wir versuchen, im lokalen Big Time Pizza-Restaurant etwas zu essen bekommen. Es sah so appetitlich aus beim Vorbeifahren und war auch eines der wenigen Restaurants, das offen hat. Wir gehen also voller Vorfreude hinein, nur, um informiert zu werden, dass wir mindestens eine Stunde warten müssten… Das ist uns definitiv zu lange, weshalb wir halt auf den lokalen Pizza Hut ausweichen… Trotz Personalmangels müssen wir dort zum Glück nicht allzu lange ausharren (ausserdem gab es hier im Gegensatz zum anderen Restaurant auch unter 12’’ = 30.5 cm grosse Pizzas…).

Eigentlich wollten wir noch den Needles Highway fahren, doch das Wetter spielt nicht mit: die umgebende Prärie liegt meistens im Sonnenschein, während die Black Hills immer in Wolken und Gewitter getaucht sind, so dass wir diesen Scenic Drive auslassen. – Ein guter Grund, um nochmals in diese spannende und abwechslungsreiche Gegend zu kommen!

 

Nach fünf Tagen in den Black Hills bekommen wir eine Wetterwarnung aufs Handy (severe thunderstorm watch) und als wir weiterfahren, sieht es aus wie kurz vor der Sintflut – rundum schwarze Wolken, Regensäulen und Blitze. Wir haben aber Glück und erst in Rapid City erwischt uns so richtiges Hagelwetter. Wir müssen sowieso noch einkaufen gehen und warten das Schlimmste im Walmart ab.

Bald gelangen wir nach Wyoming, wo es nicht viel anders aussieht: über allen Höhenzügen dräuen dicke, schwarze Wolken. Es ist mitten am Nachmittag richtig dunkel und die Temperaturen sind inzwischen auf 6 Grad gefallen!

Ozy hat uns einen hübschen Platz im Black Hill National Forest gefunden (diesmal in Wyoming; der NF erstreckt sich über zwei Staaten, mit einer Lücke im I-90-Korridor), wo wir es uns wieder auf einer blumenübersäten Waldlichtung gemütlich machen. Wir lassen die Gewitter über uns durchziehen, während wir uns als «Vorbereitung» auf den Besuch des Devil’s Tower diesmal Steven Spielbergs «Unheimliche Begegnung der dritten Art» anschauen.

Am nächsten Morgen ist alles wie frisch gewaschen und die Sonne strahlt zwischen den dahinziehenden Wolkenfetzen vom Himmel! Perfekt, um dem nahegelegenen Warren Peak Fire Lookout Tower einen Besuch abzustatten. Die Aussicht ist grandios – auch wenn man nicht bis ganz hinaufkann. Wegen Covid (no comment…). Der BLick schweift über die bewaldeten Black Hills, eine ehemaligen USAF-Radar Station aus dem Kalten Krieg (Sundance Radar Station, die Einzige, die mit nuklearer Energie betrieben wurde) sowie fast den Devil’s Tower. Fast, weil man den nur von der obersten, gesperrten Plattform sehen kann… Also nichts wie hin!

 

Bald können wir von weitem immer wieder Blicke auf diesen beeindruckende Basaltzylinder des Devil’s Tower National Monument erhaschen, der sich wie ein gigantischer Baumstumpf über das umgebenden Hügelland erhebt. Die ziehenden Wolken sorgen zusätzlich für ein wunderbares Schauspiel: der Schatten oder das Licht scheinen jeweils von oben her über die Formation herunterzufliessen, es wirkt, als würde der Felsen schmelzen. Ist er ganz beleuchtet, erscheint er als strahlender Leuchtturm, liegt er komplett im Wolkenschatten, bekommt er ein richtig bedrohliches Aussehen. Einfach nur beeindruckend!

Schliesslich wagen wir uns dann aber doch in die Nähe und folgen der Strasse in einem grossen Bogen zum Visitor Center. Von hier aus kann man auf einem 2 km langen Fusspfad um den 264 m hohen Zylinder herumgehen und bekommt – wenn es mal ein Loch in den Bäumen gibt – immer wieder einen anderen Blickwinkel. Von weitem sieht er einfach riesig und rund aus, wenn man rund herum geht, kann man kaum glauben, wie unterschiedlich Form und Struktur je nach Ansichtsseite sind. Mal erscheint er hoch und schmal, mal eher breit und gedrungen, mal scheinen die scharfkantigen Magmasäulen in den Himmel zu wachsen, an einem anderen Ort sind sie stark verwittert oder ausgebrochen. Der ganze Fuss ist mit polygonalen Bruchstücken übersäht, doch ist wohl in historischen Zeiten noch kein Abbruch beobachtet worden (sehr beruhigend, wenn man da drunter steht…).
Diese aussergewöhnliche Landmarke ist den umgebenden Stämmen heilig. Was 1875 von einem Colonel Devil’s Tower / Teufelsturm genannt wurde, heisst bei den umgebenden Stämmen wegen der langen, als Kratzspuren interpretierten Rillen zwischen den Basaltsäulen unter anderem Mato Tipila (Bären-Tipi / bear lodge). Viele Bäume entlang des Pfades tragen farbige Gebets-Stofffetzen und im Juni wäre der Berg eigentlich den Indianern vorbehalten. Doch das ist freiwillig und wir entdecken mehrere Kletterer an der Westseite (die Ostseite ist wegen brütender Falken gesperrt. Auf nicht-freiwilliger Basis…).

 

Nun geht es weiter nach Westen, durch die rolling hills Ost-Wyomings. Wir fahren über einen Hügel und unvermittelt taucht vor uns die noch schneebedeckte Kette der zu den Rockies gehörenden Bighorn Mountains auf, die wie eine Wand vor uns aufragt. Zum Übernachten ziehen wir uns auf eine Waldlichtung in den Bighorn National Forest zurück, wo wir uns auf 2’400 m ü. M. wiederfinden. Zum Glück vertragen wir dieses Mal die Höhe besser als im letzten Juli…

Am Morgen geniessen wir das eindrückliche Panorama. Da hinten würde der Yellowstone NP liegen… Und auf der Karte sieht es sooo nahe aus! Aber wir wollen ja nach Alaska. Zudem lädt die Wettervorhersage auch nicht gerade zu einem Besuch meines Lieblings-Nationalparks ein, so dass ich schweren Herzens darauf verzichte (der angekündigte Regen, zusammen mit der Schneeschmelze führen dann zu so gravierenden Flutschäden, so dass der Park mehrere Tage ganz gesperrt werden muss und der Nordteil wohl noch länger zu bleibt ☹ ) .

Kurz bevor wir abfahren wollen, erhalten wir Besuch: Eine Elchkuh geht mit ihrem Jungen direkt neben unserem Auto vorbei, um zu ihren Lieblingsbüschen weiter unten zu gelangen. Während sie mit Knabbern beschäftigt ist, erkundet das Junge selbständig die Umgebung. Das passt der Mutter gar nicht und sie geht es unter drängenden uuuuh-, uuuuh-Rufen suchen, sobald sie sein Fehlen bemerkt. So schön!!!

 

Statt Richtung Rockies weiterzufahren, biegen wir also nach Norden ab. In Sheridan, WY ist wieder einmal Pflege angesagt: Ich gehe in die Coin Laundry waschen, während Ozy bei Valvoline den bewährten Drive-Thru-Ölwechsel vornehmen lässt.

Bald gelangen wir nach Montana, wo sich die sanften Hügel und die Prärielandschaft Ost-Wyomings fortsetzen. Die Interstate windet sich zwischen den Hügeln hindurch, der Himmel scheint sich endlos über uns zu wölben und wir können immer wieder einmal Pronghorns entlang der Strasse sehen. In der Ferne erheben sich die Schneeberge, während es hier unten in der Ebene 27 Grad warm ist. Am Abend übernachten wir doch immerhin auf einem hübschen Platz am Yellowstone River, wenn wir schon nicht in den Nationalpark fahren…

Es geht immer weiter nach Norden. Die Gegend wird zunehmend flacher und wir sehen immer mehr Raps- und Getreidefelder. Wir haben starken Gegenwind und Ozy muss ordentlich Gas geben, auch wenn es bergab geht.
Im Flying J Travel Center in Great Falls, MT, duschen wir und machen uns präsentabel, denn morgen, nach der Übernachtung auf dem Municipal Campground in Sheridan, MT, wollen wir über die kanadische Grenze!

 

Wie der Übertritt nach Kanada nach zwei Jahren Warten verlaufen ist und was wir auf dem Weg nach Alaska so alles erleben, erfahrt Ihr dann im nächsten Blog!

Auf dem Municipal Campground in Sheridan, MT.

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