Alligatoren, Brücken und Cajun-Food: Big Bend nach New Orleans

Alligatoren, Brücken und Cajun-Food: Big Bend nach New Orleans

Von nun an geht es grob Richtung Osten, mit Ziel New Orleans.

Um aus der namengebenden grossen Biegung des Rio Grande zu kommen, fahren wir aber erst mal nach Norden, bis wir in Marathon auf Kurs Südost schwenken. Nun befinden wir uns in einer Landschaft, die uns wie ein riesiges, von rollenden Wellen durchzogenes grünes Meer erscheint. Die Strasse, die die höchsten Wellenkämme durchschneidet, gibt das Innenleben dieser reisigen Wellen preis: horizontale Kalksteinschichten verschiedener Dicke und Struktur.
Nach einigen Stunden überqueren wir den Rio Pecos und verlassen damit – Zitat Wikipedia – die «rauen Einsamkeit des Wilden Westens».

Nicht, dass sich vorläufig gross etwas ändern würde…

 

Wir campen zwei Tage in der Amistad National Recreation Area am gleichnamigen Reservoir, wo es verschieden gut ausgestattete, günstige Campgrounds und auch freie Stellplätze gibt. Der Stausee wurde Amistad – Freundschaft genannt, da das Wasser des aufgestauten Rio Grande von den USA und Mexico gemeinsam verwaltet wird. Am Abend werden wir von einem Vogel unterhalten, der ein erstaunliches und vor allem auch lautes Repertoire an Tönen darbietet – von Gezwitscher, über Pfeifen bis zu sirenenartigen Tönen – und uns damit an die Polyphonie amerikanischer Blaulichtorganisationen erinnert….

Im nahen Del Rio, TX füllen wir im Walmart wieder mal unsere Vorräte auf und holen in der hauseigenen Apotheke gleich noch unseren ersten «Covid-Schuss» ab: Fragen, ob sie zwei Dosen haben (wir haben uns für Moderna entschieden), Gesundheits-Fragebogen ausfüllen, impfen, 15 Minuten warten, fertig.
Als wir herauskommen, schaffen wir es gerade noch ins Auto, bevor ein heftiges Gewitter losbricht. Es fühlt sich an, als ob ein riesiger Kübel über uns ausgeleert wird.
Da das Auto nun so schön eingeweicht ist, wird es gleich gewaschen, was auch wieder einmal dringend nötig ist. Allerding stellt sich die Aktion als etwas verfrüht heraus, da die Strasse zu unserem zweiten Übernachtungsplatz am Amistad Reservoir nicht geteert ist…

 

Nachdem der neue Schlamm entfernt ist (Ozy kann das natürlich nicht auf sich sitzen lassen), fahren wir Richtung San Antonio, TX. Die Gegend wird zunehmend grüner und auch stärker landwirtschaftlich genutzt. Da es in der näheren Umgebung nichts Passendes gibt, quartieren wir uns wieder auf dem nicht ganz günstigen, aber schönen «Traveler’s World RV Resort» am Stadtrand von San Antonio ein, wo wir 2015 schon übernachtet hatten. Immerhin ist der Campingplatz günstig in der Nähe eines Busstops und eines authentischen mexikanischen Restaurants situiert. Er liegt auch direkt am San Antonio River und ich mache am Abend einen wunderschönen Spaziergang auf dem Riverwalk bis zur Mission Concepción.

In San Antonio bekommen wir eine erste Kostprobe von dem, was uns dann an der Küste erwarten wird: grosse Hitze bei noch grösserer Luftfeuchtigkeit. Zum Glück ist das RV Resort mit einem schönen Swimming Pool ausgestattet, wo wir uns erfrischen können. Beim Baden lernen wir gleich zwei sehr nette Mitcamper, Jim und Nancy aus Columbus, IN, kennen und beschliessen, am folgenden Tag San Antonio gemeinsam zu erkunden. Wir besuchen den berühmten und wunderschönen River Walk im Zentrum von San Antonio und natürlich auch die ehemalige Mission bzw. das spätere Fort «The Alamo», das Symbol für den texanischen Freiheitskampf (den Besuch der Kirche und Innenräume sparen wir uns, da wir lange hätten anstehen müssen und beides schon 2015 besichtigt haben). Der Garten ist aber frei zugänglich und wir freuen uns an der schönen, schattigen Anlage mit einem von Kois bevölkerten Kanal, plätschernden Brunnen und riesigen Live Oaks. Dazu treffen wir einige Reenactors, die hier ein kleines Lager aufgeschlagen haben und den Besuchern das Leben der texanischen Soldaten in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts näherbringen.

Nach langer Zeit haben wir hier endlich wieder einmal das Gefühl, dass das Leben zurückkommt. Nur wenige tragen noch Masken und alles, inklusive die Bootstouren, scheint wieder normal zu funktionieren. So sehr, dass es uns am Abend, als wir nochmals in die Stadt fahren, schon fast wieder zu viel wird: Auf dem River Walk stauen sich die Besucher und alle Gaststätten sind gestossen voll (Wartezeiten von teils über einer Stunde und es ist schon acht Uhr…). Aber Glück im Unglück: oben in der Stadt finden wir das «Pesto Ristorante @ Houston Street», ein italienisches Restaurant, wo wir aussergewöhnlich gut essen.

 

Am nächsten Tag verlassen wir San Antonio bei Regen Richtung Golfküste, wo wir die nächsten Tage auf den dem Ort Corpus Christi vorgelagerten Barriereinseln verbringen.
Normalerweise kann man direkt am Strand frei campen, aber das Meeresniveau ist im Moment aufgrund heftiger Stürme im Golf von Mexico so hoch, dass wir auf die mehr oder weniger einfachen Campgrounds des Padre Island National Seashore und Mustang Island State Park ausweichen müssen (immerhin gibt es Duschen). Obwohl die Stellplätze durch Dünen vom Meer getrennt sind, wird unser Auto durch die Salzgischt noch ganz schön eingepökelt, 
Wenn man schon mal am Meer ist, sollte man doch auch baden gehen, denke ich. Doch halten mich schliesslich die immer noch heftigen Wellen zusammen mit Warnungen vor Quallen etc. dann doch davon ab, obwohl das Wasser an und für sich warm genug wäre.
Wir lesen und hören, dass es noch Saison für die Kemp’s ridley-Schildkröten wäre, die hier tagsüber (!) ihre Eier legen. Obwohl wir fleissig Ausschau halten sehen wir aber nur die zahlreiche Eiersuch-Patrouillen und leider keines dieser riesigen Tiere (die Eier werden zu ihrem Schutz eingesammelt und die geschlüpften Schildkröten dann ins Meer entlassen. Mehr Info zu den Schildkröten und den Schutzbemühungen). Auch einen verrirten Alligator aus Louisiana verspassen wir nur knapp (wie war das mit dem Baden nochmals?).

 

Von den Campgrounds aus machen wir verschiedene Ausflüge. Einmal zum Texas State Aquarium in Corpus Christi, wo wir viel Interessantes über den Golf von Mexico erfahren und zahlreiche Tiere buchstäblich hautnah erleben dürfen. Ein anderes Mal zur King Ranch.
Wir verfahren uns erst mal, weil wir nur «King Ranch» ins Navi eingegeben hatten, nicht realisierend, dass es sich um die grösste Ranch in den USA handelt (mit 3,340 km2 grösser als der Staat Rhode Island)… Nachdem wir das Visitor Center dann doch noch gefunden haben, bekommen wir eine «Privattour», weil wir gerade die einzigen Besucher sind. Unser Chauffeur erklärt uns dabei allerlei über die Bewirtschaftung dieses buschigen und mit zahlreichen Kakteen bewachsenen Landes, die Züchtung von Rindern und die für die Arbeit mit ihnen verwendeten Quarter Horses. Auf der King Ranch wurde durch z.B. die Einkreuzung von Zebus/Brahmans die Santa Gertrudis-Rinder gezüchtet, eine Rasse, die dem feuchtheissen Klima angepasst ist. Einige Longhorns sehen wir natürlich auch, doch werden diese heute mehr aus Nostalgie gehalten. Mit der Tour kann man einen Teil der Santa Gertrudis Division, des ältesten Teils, besuchen, doch beseht und bestand die über 160jährige Unternehmung «King Ranch» aus ganz aus verschiedenen „Divisionen“ (unter anderem auch in Florida und Australien). Sie erwirtschaftet ihr Geld nicht nur mit der Rinderzucht/Fleischproduktion, sondern auch mit Futteranbau und Landwirtschaft (inkl. Forschungsabteilung), mit Touristen-Touren, durch Verpachtung von Land für die Ölgewinnung sowie die Vermarktung ihres Namens (verschiedene Ford-Marken „King Ranch Edition“ und eigenes Kleiderlabel). Nicht zuletzt ist die Ranch auch ein Jagdreservat (wir sehen Truthähne, Weisswedelhirsche, Kaninchen, Schwarzbauch-Pfeifenten und Reiher. Dazu gäbe es noch Javelinas, Wildschweine, Wachteln und in den 1920ern angesiedelte Nilgai-Antilopen).
Nach der Tour müssen wir natürlich noch in die gleichnamige Stadt Kingville, wo wir das Museum zur King Ranch besuchen. Hier wird unter anderem noch näher auf die Geschichte der King Ranch eingegangen und auf die sogenanten Kineños: Die „Kings Men“ waren die ersten Vaqueros, die mit den Rindern zusammen auf die Ranch gekommen sind und ihre gleichnamigen Nachfahren leben und arbeiten heute noch in fünfter Generation auf dem Land. Als Abschluss müssen wir natürlich auch noch in den «Saddle Shop», den riesigen Laden, in dem die hochqualitativen Lederprodukte und Kleidungsstücke des King Ranch Labels verkauft werden. Der Preis ist allerdings entsprechend, so dass wir uns nicht überlegen müssen, ob wir noch Platz in unserem Camper haben…

 

Nach insgesamt 6 Nächten auf der Barriereinsel geht es weiter. Von nun an bewegen wir uns entlang des Golfs von Mexico, durch eine Gegend, die durch das Meer und die jährlich wiederkehrenden Stürme und Überschwemmungen geprägt wird. Die Küste und ihre vorgelagerten Barriereinseln sind sehr flach und werden regelmässig überspült. Zudem begegnen wir immer wieder dem mit grossen Schiffen befahrbaren Intracoastal Waterway, den wir häufig auf hohen Brücken überqueren. Die ganze Gegend ist zudem geprägt von Industrie, sowie den Sammeleinrichtungen und Raffinerien für die an der Küste und unter dem Schelf vorkommenden fossilen Rohstoffe, die allesamt von der Anbindung an den Internationalen Schiffsverkehr profitieren. Die Landschaft ist geprägt durch Salzmarschen, Kanäle und Tümpel und wo möglich werden Milo [Sorghumhirse], Mais und Soja angepflanzt sowie Rinder (u.a. Brahmans) gehalten.

Es ist mittlerweile Memorial Day-Wochenende, was das Übernachten nicht unbedingt einfacher macht. Zum Glück finden wir einen Platz am Magnolia Beach, einem freien städtischen Strand. Allerdings findet ausgerechnet jetzt ein «Urban Cowboy Beach Trail Ride» statt, was eine gewisse Unruhe wegen der vielen Pferde und vor allem deren Reiter mit sich bringt… Als wenn das nicht genug wäre, ziehen am Abend mächtige Gewitterwolken mit ebensolchen Blitzen auf und wir werden in der Nacht von sehr heftigen Sturmböen durchgeschüttelt.
Am nächsten Tag sehen wir dann die vollen Auswirkungen des Gewittersturms, als der Stephen F. Austin State Park, den wir vom Strand aus online gebucht haben, seine Tore geschlossen hat! Das nahegelegene Museum ist glücklicherweise offen, so dass wir mit Menschen sprechen können (am Wochenende ist natürlich niemand von den Texas State Parks erreichbar). Die beiden freundlichen Damen informieren uns, dass weiträumig der Strom ausgefallen sei und im State Park erst die umgefallenen Bäume beseitigt werden müssen. Vielleicht mache er übermorgen wieder auf? Wir bedauern die Menschen hier und froh, dass uns der Gewittersturm nicht voll erwischt hat.
Trotzdem stellt sich uns nun die dringende Frage: wo übernachten? 

 

Wir haben dann aber Glück und kommen im nicht allzu weit entfernten Brazos Bend State Park unter. Weil der Strom auch hier ausgefallen ist, ist nur ein weit entferntes WC geöffnet (es braucht offenbar unbedingt von einem Generator angetriebene Baustellenlampen…). Dennoch gefällt uns der Park so gut, dass wir gleich mehrere Tage bleiben. Am Abend des 2. Tages ist dann auch der Strom wieder da und wir können wieder duschen.
Der Park umfasst ein grosses Gebiet und besteht aus einer kleine «Prärie» sowie vor allem Sumpfland. Der Sumpf wird vom Big Creek und von Kanälen und Seen sowie Dämmen durchzogen, die ehemals angelegt wurden, um das Holz zu ernten. Hier können wir das erste Mal die dichten Sumpfwälder bewundern, mit im Wasser stehenden Zedern, Eichen mit Epiphytenbewuchs und „Spanischem Moos“ (Tillandsia usneoides, eine Bromelienart), das in langen Bärten von den Ästen der Bäume herunterhängt. Der Park wird von vielen Wildtieren bewohnt und ist vor allem berühmt für seine grossen Bestände an Alligatoren. Wir sehen einige davon und Ozy wird – nachdem ich ihn für eine längere Wanderung allein gelassen habe – von einem angepirscht, während er einen zweiten beobachtet… Am Abend lassen wir uns von den zahlreichen Glühwürmchen verzaubern, die zwischen den Büschen um die Wette blinken (andere geflügelte Bewohner sorgen jedoch dafür, dass wir uns nicht allzu lange draussen aufhalten…).

Auf dem Gelände steht auch ein Observatorium, das zum Houston Museum of Natural Science gehört, aber es hat nur am Wochenende geöffnet und man müsste lange im Voraus reservieren… Aufgrund der relativen Nähe zur Stadt können wir den Park aber gleich als Stützpunkt für den Besuch im Museum selbst benutzen. Das HMNS ist absolut faszinierend und wir verbringen einen ganzen Tag dort. Unter anderem gibt es Ausstellungen mit Dioramen zur Flora und Fauna von Texas und von Afrika (!), eine riesige Mineralien- und Edelsteinsammlung mit dazwischen ausgestellten, unbezahlbaren Schmuckstücken zeitgenössischer Juweliere aus Houston sowie einer «kleinen Nebenausstellung» zu den Werken der Werkstatt Fabergé. Dazu eine Wunderkammer (mit vielen Deutschen Jagdtrophäen) und im obersten Stock eine – von den entsprechenden Firmen gesponserte und möglicherweise nicht ganz unvoreingenommene – Ausstellung zur Energiegewinnung, wo wir eine Menge über die Öl- und Gasförderung lernen. Besonders beeindruckt hat mich die riesige und ausserordentlich qualitätvolle Fossiliensammlung. Nicht nur sind die Stücke selbst exquisit präpariert, sie sind auch sehr gut ausgestellt (Stichwort „Lebensbilder“ – auch mit Skeletten).
Vom im hauseigenen Kino gezeigten Film (separater Eintritt) waren wir enttäuscht, aber dafür völlig überwältigt vom Angebot im grossen Museumsshop, wo man vom Plastik-Dino über edle Schmuckstücke bis zum mehrere tausend Dollar kostenden Couchtisch aus einer versteinerten Stammscheibe alles haben kann…

 

Die dringend nötige Wäsche wird auch noch erledigt (in Texas heissen die Waschsalons übrigens «Washataria») und dann ziehen wir wieder in die Nähe vom Meer um. Leider hat der Galveston Island State Park nicht sehr viel zu bieten. Die Trails sind schlammig und teilweise überflutet (so, wie es aussieht, schon länger), WC/Dusche gibt es nur im «Zelt-Kreis», auf den wir uns als Camper nicht stellen dürfen, obwohl er genau gleich aussieht wie der «Camper-Kreis». Der Fussmarsch dorthin muss aufgrund der Moskitos voll eingemummelt absolviert werden, was aber auch nicht sehr viel nützt, da man in der Dusche sowieso in die empfindlichen Körperteile gestochen wird…
Der Vorteil des State Parks liegt wohl eher in seiner Lage, da man von hier aus gut nach Houston (wir müssen unseren Nespressokapsel-Vorrat wieder auffüllen…) und natürlich ins nahegelegene Galveston kommt. Hier bewundern wir die schöne Architektur, fahren entlang der Strandpromenade (angeblich mit dem längsten ununterbrochenen Trottoir der Welt), beobachten Delphine und Pelikane im Hafenbecken, besuchen das Oilfield Energy Center, das auf der ausrangierten Ocean Star Ölplattform beheimatet ist, und geniessen vor allem ausgezeichneten Seafood. Den absolut besten Fisch essen wir in Katie’s Seafood House, denn «Katie» hat ihre eigene Fangflotte! Wir sind so begeistert, dass wir uns in Katie’s Seafood Market dann gleich noch einen Red Snapper kaufen, vor Ort filettieren lassen, um ihn am nächsten Abend bei uns zuzubereiten – himmlisch!

 

Weiter geht’s entlang der Küste. Manchmal fast im Meer, über Brücken und via Fähren, vorbei an Marschen, kleinen Ansiedlungen, Öl-Derriks, dem Intracoastal Waterway, Raffinerien und dekomissionierten Ölplattformen. Der Himmel ist dunkel verhangen und zwischendurch bekommen wir immer wieder einmal eine heftige Dusche, während die Temperatur bis auf 21 Grad sinkt.
Wir fahren bis zum äussersten Zipfel von Texas, wo wir im Sea Rim State Park bei Port Arthur nochmals zwei Nächte Pause machen (leider ist der einzige Trail – wie es scheint auch schon länger – in Reparatur, aber ein Strandspaziergang is ja auch schön).

 

Nun geht es nach Louisiana!

Rein landschaftlich ändert sich zunächst allerdings nicht sehr viel. Entlang der Küste und des Intracoastal Waterway dominieren zahlreiche Raffinierien die Silhouette. Die Küste ist immer noch sehr flach und wir sind oft rundum von Wasser umgeben. Dass man die Kanäle nicht zum Schwimmen nutzen sollte, zeigen uns die Kadaver überfahrener Alligatoren rechts und links der Strasse… Wie schon in Texas sind auch hier alle Gebäude – von den Wohnhäusern über die Schulen bis zu den Kirchen – bis weit ins Landesinnere auf hohen Stelzen gebaut. Die ganze Region lebt mit der alljährlichen Bedrohung durch die Hurricanes und Sturmfluten. Von Holly Beach, LA sagt man sogar, die Strandhäuser seien «gebaut, um wieder aufgebaut zu werden».

Zum Übernachten haben wir uns einen «County Park» am Intracoastal Waterway ausgesucht (in Louisiana ist die Organisationseinheit das Parish, die [Kirch-]Gemeinde). Als wir dort ankommen stellt sich heraus, dass er aufgelassen ist. Das Bürogebäude ist um seine ganze Breite von der Basis verschoben, die WCs sind geschlossen und die Steckdosen inaktiv. Man könnte wohl trotzdem über Nacht stehenbleiben, aber einerseits ist die nahe, mit Gitterrost belegte Brücke sehr geräuschintensiv, andererseits scheint uns anhand des sich zunehmend mit Autos füllenden Platzes der Samstagabend nicht gerade günstig für eine ungestörte Nacht zu sein…

Dass wir nicht hier bleiben erweist sich als wahrer Glücksfall, denn wir finden stattdessen den wunderschönen Holbrook Park (ebenfalls zur Calcasieu Parish gehörend). Der baumbestandene Park liegt sehr malerisch zwischen einem Fluss und einem See, aber das wahre Highlight sind aber die überaus liebenswürdigen Camp Hosts Harry und Edna mit ihrem süssen Corgi Ernie! Harry lädt uns gleich beim Einchecken spontan auf ein abendliches Glas Wein auf der Veranda ein und, als wir verneinen, jemals Crawfish Pie probiert zu haben, dann gleich noch zum Znacht am folgenden Abend
Auf Nachfrage erklären sie uns auch, weshalb der andere Park gesperrt ist und wir so viele mit Plastik gedeckte Häuser und entwurzelte Bäume gesehen haben: Letztes Jahr sind im Herbst gleich zwei schlimme Hurricanes über die Gegend gefegt und im Mai hat es aufgrund ausserordentlich starker Regenfälle auch noch die ganze Gegend überflutet. Wir erfahren später auch von unseren Nachbarn auf dem Campingplatz, dass sie immer noch in ihrem Camper leben, da ihr Haus zerstört wurde. Wir fragen sie, wie es ist, in dieser Gegend zu leben, wo man immer gewahr sein muss, dass das Haus und die Habseligkeiten ganz oder teilweise beschädigt werden: Sie meinen ganz entspannt, so ein Grossereignis komme ja nur rund alle 30 Jahre vor…

Das Znacht bei Harry und Edna ist ein richtiges Erlebnis. Harry hat nicht nur seine berühmte Crawfish Pie gebacken (sie und Harry wurden vom Singer-/Songwriterduo The Winterlings in einem Song verewigt: The Devil’s Got Crawfish Pie), sondern tischt uns dazu einen feinen Gumbo auf. Harry und Edna sind ein ganz bezauberndes Paar, die schon viel zusammen erlebt und überstanden haben. Sie erzählen uns über die Cajun-Kultur und führen uns in die Cajun-Musik und den Cajun-Humor ein. Wir verbringen einen wunderschönen Abend zusammen, der uns immer in Erinnerung bleiben wird!

 

Schweren Herzens nehmen wir Abschied von diesen lieben Menschen und fahren weiter Richtung New Orleans. Teils auf Causeways führt uns die I-10 vorbei an Reis- und Zuckerrohrfeldern und durch mit Zedern bestandene Sümpfe nach Lafayette (ausgesprochen «Lov-jett»), wo wir nach Südosten abbiegen, um mit Burns Point (St. Mary Parish) den südlichsten Park von Louisiana zu erreichen. Nach unserer schönen Erfahrung mit Harry und Edna ist der Camp Host hier im besten Fall als kurz angebunden zu bezeichnen, aber die Übernachtung ein letztes Mal direkt am Golf von Mexico ist soweit ok.

 

Wir überqueren zunächst den grossen Atchafalaya, einen Arm des Mississippi, der rund 250 km flussaufwärts abzweigt, und dann den noch mächtigeren Mississippi selbst und gelangen nach New Orleans. Hier wollen wir eine Woche im Jude Travel Park am Stadtrand bleiben (7 Tage sind günstiger). Wir geniessen die Dusche und den Swimmigpool und nutzen den Platz als Ausgangspunkt für Stadterkundungen (vom Campground aus würde zu bestimmten Zeiten auch ein Shuttle-Service angeboten, doch passt es zeitlich nie, weshalb wir – das erste Mal – die Dienste von Uber in Anspruch nehmen).
Das French Quarter, das wir zwei Mal besuchen, dünkt uns ziemlich überlaufen und ausserhalb muss man wohl gut aufpassen, wohin man geht, was wir nicht so toll finden, jedoch gefallen uns sind die umliegenden Quartiere, durch die wir durchfahren, aufgrund ihres reichen Bewuchses mit Life Oaks und anderen Pflanzen und der wunderschönen Architektur ausnehmend gut.
Tagsüber ist es jeweils deutlich über 30 Grad und kühlt auch in der Nacht nur wenig ab; dazu kommt eine Luftfeuchtigkeit von bis zu 90 %, was dazu führt, dass wir jeweils an einem Tag etwas unternehmen und uns am nächsten Tag davon erholen müssen… Ausserdem holen wir uns im Walmart noch unseren 2. Covid-«Schuss» ab (diesmal nicht ganz so einfach, weil in einem Walmart nicht an Lager, in einem anderen nicht aufgetaut, aber im dritten hat’s dann geklappt), der mich den folgenden Tag mit Temperatur und üblen Kopfschmerzen im Bett verbringen lässt. Ozy ersetzt zwischendurch noch schnell das Steuergerät von unserem Herd, das den Geist aufgegeben hat. Natürlich hat er einen Ersatz dabei (wundert sich jemand, weshalb wir so schwer sind?).

 

Mit unserem eigenen Gefährt unternehmen wir zwischendurch auch immer wieder verschiedene Ausflüge ins Umland.
So fahren wir bis zur Mündung des Mississippi (soweit man mit dem Auto kommt, zugleich der südlichste Punkt Louisianas), besuchen das Barataria Preserve des Jean Laffitte National Historical Park & Preserve sowie das gleichnamige Dorf, die ihren Namen vom berühmten Piraten haben, und gucken das leider recht verwahrloste und aufgrund von Hurricane-Schäden geschlossene Fort Jackson von aussen an. Ein besonderes Erlebnis war sicher die Airboat Tour durch die Bayous, Kanäle und Seen, die hier ebenfalls zur Ausbeutung der Sumpfwälder angelegt wurden. Wir haben uns für ein kleines Boot (max. 6 Personen) entschieden und die teurere Variante nicht bereut: Unser Kapitän «Jay» (Manuel) ist hier aufgewachsen und wusste viel Interessantes zu erzählen. Neben der Fahrt war die Begegnung mit den Alligatoren besonders beeindruckend. Zunächst ist Jay an mehreren Alligatoren vorbeigefahren, weil er sie nicht stören wollte («sie müssen freiwillig kommen»). In einem breiten Kanal hat er schliesslich Anker geworfen – und gerufen. Und auf sein «viens, viens» kam dann tatsächlich «Friendly Ed» gemächlich angeschwommen, zusammen mit zwei Weibchen, die sich das auch nicht entgehen lassen wollten. Zur Belohnung gab’s dann Marshmallows und Würstchen. Jay kennt die Alligator-Männchen (die im Gegensatz zu den Weibchen standorttreu sind) so gut, dass er «Friendly Ed» sogar unter dem Kinn kraulen kann. Nach seiner Aussage gab es in Louisiana im Gegensatz zu Florida noch nie einen tödlichen Alligator-Unfall, obwohl die Einheimischen sogar in den Bayous baden. Er führt das darauf zurück, dass die Tiere, die in Florida das ganze Jahr hindurch wachsen, hier kleiner sind (sog. Torpor, d.h. Kälteschlaf mit Wachs-Pause) und den Menschen nicht als Beute betrachten würden. Ich bin nicht ganz überzeugt und werde hier sicher nicht schwimmen gehen – vielleicht mögen sie Touristen ja trotzdem…

 

Wenn wir grad von Leckereien sprechen… Ein sehr wichtiger Teil unseres Besuches war das Essen! Wir haben schon 2015 festgestellt, dass wir die Cajun und Creole-Küche (und alle Mischformen untereinander und mit anderen Cuisines) sehr mögen. Wir haben Homer Simpsons New Orleans-Tour als grobe Guideline genommen und versucht, möglichst viele verschiedene Gerichte zu probieren (teilweise sogar in den gleichen Restaurants wie Homer). Ausgezeichnete Crawfish Pie und Gumbo hatten wir schon bei Harry und Edna geniessen dürfen. Nun kamen noch Charbroiled Oysters (eine unserer Leibspeisen), Alligator sowie Catfish Po-Boy, Crawfish Etouffee, Beignets (im Café Beignet, mit Jazz-Begleitung), Muffuletta (bei DiMartino’s), Fried Catfish, Fried Oysters, Popcorn-Shrimp, Boiled Crawfish (Frankie & Johnnie’s – es war zum Glück gerade noch Saison), Pulled Pork und BBQ Platter (Blue Oak BBQ) sowie sensationelle Fried Green Tomatoes mit Crawfish-Shrimp-Sauce und Grilled Catfish (beides im Magnolia Grill in Natchez) dazu. Wenn wir Homers gesamte Liste hätten abarbeiten wollen, wären wir wohl jetzt noch dort…
Im Gegensatz zu uns haben es aber zwei Schweizer Touristinnen voll durchgezogen: „Homer, Katrin and Janine Eat Their Way Through New Orleans“ – nicht verpassen!

Und allein was wir verzehrt, war die ganze Reise wert!

 

Doch auch so wurden aus der geplanten Woche 10 Tage, die wir – bis auf die feuchte Hitze – sehr genossen haben. Nun wollen wir aber endlich unser Projekt, dem Mississippi bis zur Quelle hinauf zu folgen, in die Tat umsetzen! – Was wir dabei erlebt haben kommt dann im nächsten Blog (vielleicht werden es auch zwei… 😊). 

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